Dienstag, 4. Februar 2014

Exotisches Kuscheltier




Ich lag mit Grippe allein zu Hause und da natürlich im Bett. Da läutete es – ich hielt es für höchst unangebracht – an der Tür. Wo sonst? Man besucht keine Kranken, die nichts weniger wollen als aus dem Bett zu steigen.

Es läutete wieder, nun, ich öffnete, schmerzvergrämt – und war von einem Augenblick auf den anderen gesund. Zumindest fühlte ich mich so. Vor mir stand der Inhaber eines Lebensmittelmarktes mit einer Schachtel in der Hand, die merkbar von seinem Körper abgestreckt war. In dem Behältnis lag eine Spinne, eine große Spinne, eine der giftigsten Spinnen der Welt, wie mir, wie sich später herausstellte, nicht ganz zu Unrecht in den Sinn kam. So etwas muss zu einer Spontangesundung beitragen, außer man berührt das Wesen unfachmännisch, was dann zu einer Spontan-Ungesundung führen kann.
         Was war passiert? Mit den Bananenkartons wurden nicht nur Bananen über Bananen angeliefert, sondern ausnahmweise auch eine hochgradig sedierte Bananenspinne. Da ich bekannt, um nicht zu sagen berüchtigt war, in Fragen exotischer Tiere nicht ganz unbedarft sein, wandte sich der Kaufmann an mich.
         Er überreichte mir das Schächtelchen und ich hatte das Gefühl, er konnte sich gar nicht schnell genug verabschieden, da er sogar auf einen Wunsch nach baldiger Besserung verzichtet hatte. Aber den brauchte ich ja jetzt ohnehin nicht mehr.
         Sicherer als die Schachtel erschien mir ein Glasbehälter für das Tier. So leerte ich süßsaure Essiggurken (sollten es einfach saure ohne Süße gewesen sein, hat das an und für sich auf den Fortgang der Geschichte keinen Einfluss) in eine Schüssel, reinigte das Glas so weit, dass ich es dem Besuch aus Südamerika zumuten konnte – und fühlte mich nach der Übersiedlung des Gastes wesentlich wohler.
         Ich hatte schon einige Erfahrung mit Taranteln, die ich bereits in meinen Jugendtagen gepflegt hatte und wusste von Vogelspinnen, dass ihre Gefährlichkeit meist maßlos übertrieben wurde. Aber war dieses Exemplar überhaupt ein Mitglied dieser Familie? Sein Haarkleid war mickrig bis kaum vorhanden. Nun, wozu hatte man umfangreiche Literatur? Die ist es nicht, die auch nicht, überhaupt keine aus dieser Gruppe, also weiter! Nächste Gattung - Kammspinnen. Das kam schon eher hin, Größe, Farbe und andere Merkmale deuteten auf eine besondere Art hin, ja bestimmten sie eindeutig: Phoneutria fera, eine Jagdspinne, schweres Neurotoxin,  zwanzigmal giftiger als eine Kobra. Ich verzichtete auf die Verifizierung dieser unglaublichen Behauptung.
         Die Lektüre machte mir aber eines ganz klar: Ich musste das Tier gesund pflegen, um es einem staunenden Publikum präsentieren zu können und ich meine Rolle als unerschrockener Indiana Jones richtig ausspielen konnte.
Ja, so war es dann auch. Was da so alles passierte, wäre eine eigene Geschichte, die ich aber nicht schreiben will.
         Nur so viel sei gesagt. Nachdem der Fund der Bananenspinne (ich nannte sie so, weil Phoneutria fera nicht unbedingt leicht ins Ohr geht) zu einem Kurzbericht in einer  Tageszeitung führte, trat die Gendarmerie auf den Plan. Sicherheitsvorkehrungen wurden festgelegt und so kam es, dass die Landbevölkerung aus der Umgebung, die an Sonntagen den Gottesdienst im Zentrum besuchte, im Abschluss die Gelegenheit nützen konnte, um den weniger frommen Schauer beim Betrachten dieser Rarität über sich ergehen zu lassen.

2 Kommentare:

  1. Du hältst also eine "Mörderin" in einem Glas gefangen und stellst sie zur Schau. Eine besondere Form des Prangers, durchaus angebracht für Armadeira. Très intéressant.

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    1. Nun, die "Mörderin" musste nicht im Glas ihr Dasein fristen, sie wurde in einem geräumigen Terrarium verhätschelt. :D
      Was den Pranger betrifft, die Phoneutria erklärte sich mit solidarisch im Bestreben Grusel zu erwecken. :D LG Ingo

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