Samstag, 18. Januar 2014

Mauspsychologin




Meine Schwester fängt Mäuse, Hausmäuse der Art Mus musculus (kein Hinweis auf die Körperkraft des Wesens). Sie macht das nicht beruflich, nein, nein. Sie  fängt Mäuse, die sich im Zustand völliger Desorientierung oder, was wahrscheinlicher ist, auf der Suche nach Leckerbissen und bequemer Unterkunft in die Küche, ins Wohnzimmer oder gar ins Schlafzimmer verirrt haben.

Wer jetzt meint, die Tochter meiner Eltern hätte eine verständliche Abneigung gegen Mus musculus im Haus, der irrt. Liebend gern würde sie die Kostgänger in ihren Räumlichkeiten beherbergen, vielleicht sogar umsorgen, kosen gar, jedenfalls verhätscheln. Aber sie ist der Meinung, begründet oder nicht, dass sich eine Maus in so unmittelbarer Nähe der Menschen einfach nicht wohl fühlen kann, alleine schon des Geruches wegen. Menschen menscheln.

So fängt sie eben diese niedlichen Tierchen, wann immer sie eines erspäht. Es sind deren nicht viele, aufs Jahr verteilt eigentlich sehr wenige. Alles andere wäre gelogen und würde die Vorstellung über die Ordnung und Sauberkeit in ihrem Haus etwas verzerren, das mit wenigen Abstrichen als schabenfrei bezeichnet werden kann und in dem ein Kammerjäger erbärmlicher Armut anheim gestellt würde.

Nun wissen wir, warum meine Schwester die hurtigen, knopfäugigen Nager fangen will, werfen wir jetzt aber einen Blick auf das wesentlich interessantere Wie. Sie  setzt auf Psychologie und Verhaltenslehre, auf Hausmausethologie sozusagen. Nicht, dass sie diese Wissensgebiete studiert oder sich angelesen hätte, nein sie handelt intuitiv, aus dem Bauchgefühl heraus.  

Ja, das kann sie und das tut sie. So bringt sie auf kurzen Zuruf ganze Schafherden zum Blöken, auf kaum merkliche Zeichen lassen sich Hühner ins Gras fallen, so wie man das nur von Zirkuspferden kennt, die einer langen Dressur unterworfen worden waren. Mit einem Augenzwinkern veranlasst sie Eichhörnchen dazu, in ganz und gar unnatürlicher Weise, Kuhmilch zu schlürfen. Etwas, was diese Tiere in freier Natur nicht einmal in ärgster nutritiver Bedrängnis tun würden.

Ja, das alles ist sehr beeindruckend, aber wie fängt sie jetzt Mäuse? Dazu bedient sie sich einer Pappröhre, wie man sie zum Postversand verwendet und wie sie in jedem Haushalt zu finden ist. Die Maus, trotz der aufmunternden Zurufe stark verunsichert, sieht das offene Ende der Röhre, erkennt ein Loch, ein schwarzes,  vermutet darin den Zutritt zu einem dunklen Gang, der ihr optimalen Schutz gewähren könnte, schlüpft hinein und wäre nach entsprechender Frankierung fertig zum Versand. Meine Schwester versendet sie aber nicht, sie trägt die Maus aus dem Haus, nicht allzu weit weg, sonst würde das Tier ja nicht mehr zurück finden, wenn es einer besonderen Fürsorge oder eines trockenen Obdaches bedürfte.

Klar, dass sich das Spiel wiederholt.  Man kann durchaus behaupten, dass die Mäuse an dieser Art der Vertilgung Gefallen finden und nicht daran denken, das Haus fürderhin zu meiden.

1 Kommentar:

  1. Schade, dass es so einen Film schon gibt. Die Geschichte Deiner Schwester wäre als "Die Mäuseflüsterin" bestimmt ein Welterfolg geworden.

    ;-)))

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