Sonntag, 16. November 2014

Einschneidendes Ereignis




Ich saß in der ersten Klasse der Volksschule. Eigentlich müsste ich sagen, in der ersten Schulstufe dieser Klasse, denn insgesamt gab es da nur zwei Unterrichtsräume. Man darf also hier Klasse nicht mit Klasse verwechseln – aber das führt jetzt zu weit.
Also, ich saß in der ersten Schulstufe und musste lachen. Das musste ich öfter, obwohl der Herr Lehrer – er war Direktor dieses Bildungszentrums – Sigmund Freud oder Konrad Lorenz ins seiner Barttracht und in seinem Ernst auffallend ähnlich war. Das allerdings wusste ich damals noch nicht, wer kennt als Siebenjähriger schon Sigmund Freud? Konrad Lorenz kannte ich auch nicht, nicht einmal Otto König. Ich musste noch gut zwanzig Jahre älter werden, um die vage Ähnlichkeit dieses Populärwissenschaftlers mit meinem Lehrer zu bemerken. Ich fürchte, ich schweife vom Kern der Erzählung nun mehr ab, als ich es zu einer einfühlsamen Einleitung vorgehabt habe. Es geht nämlich um einen Apfelbutzen, also um den für viele ungenießbaren Mittelachsenabschnitt eines Apfels. 

Der Herr Lehrer fragte in gestrengem Ton, was ihm leicht fiel, denn er hatte eine sonore Stimme, die sich zu einem Donnersturm, wie der Engländer sagt, aufschaukeln konnte. Er fragte also: „Wer von euch hat den Apfelbutzen auf den Boden geworfen?“ Das war’s schon. Die Klasse - dieses Mal die Schulstufen eins, zwei und drei – lachte. Sehr laut. Ich wohl am lautesten. 

Der Anlass war mit den Händen zu greifen – es war der Apfelbutzen, wo doch alle Welt (in unserem Dorf) nur einen „Äpfibunzn“  kannte. Bunz wohlgemerkt, nicht Buzn. Das „unz“ hat etwas Erdiges, Bodenständiges im Vergleich zum eher norddeutsch klingenden „uz“. Apfelbutzen war doch zu komisch. Wie gesagt, ich lachte pädagogisch auffallend und musste den Apfelrest aufheben und in den Abfallkorb (ich glaube es war doch eher eine Kiste) werfen. Subsequent gab es noch eines Strafe, an deren Umfang und didaktischen Sinnhaftigkeit ich mich nicht mehr erinnern kann. 

Es war ein Unrecht – so wie ich heute jeden Apfel auf Butz und Stingl aufesse, tat ich es auch im zarten Volksschulalter schon. Man sieht, einschneidende Ereignisse im Leben vergisst man nie.

1 Kommentar:

  1. I ois Niedabayer sog "Opfebuuzn" (wie Du mir glauben kannst, hat das nichts, gar nichts Norddeutsches!), oba mein erschde Frau, des war a Preiß, de hod zun Opfebuuzn "Apfelgrips" gsogt (sand scho säitsam, de Preißn, oda?!). Und unsaoans ist an Opfe aa samt Buuz und Stingl, grod aso wia Du.

    Eine herrliche Anekdote!

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