Ich
lag mit Grippe allein zu Hause und da natürlich im Bett. Da läutete es – ich hielt
es für höchst unangebracht – an der Tür. Wo sonst? Man besucht keine Kranken,
die nichts weniger wollen als aus dem Bett zu steigen.
Es
läutete wieder, nun, ich öffnete, schmerzvergrämt – und war von einem
Augenblick auf den anderen gesund. Zumindest fühlte ich mich so. Vor mir stand
der Inhaber eines Lebensmittelmarktes mit einer Schachtel in der Hand, die
merkbar von seinem Körper abgestreckt war. In dem Behältnis lag eine Spinne,
eine große Spinne, eine der giftigsten Spinnen der Welt, wie mir, wie sich später
herausstellte, nicht ganz zu Unrecht in den Sinn kam. So etwas muss zu einer Spontangesundung
beitragen, außer man berührt das Wesen unfachmännisch, was dann zu einer
Spontan-Ungesundung führen kann.
Was war passiert? Mit den
Bananenkartons wurden nicht nur Bananen über Bananen angeliefert, sondern
ausnahmweise auch eine hochgradig sedierte Bananenspinne. Da ich bekannt, um
nicht zu sagen berüchtigt war, in Fragen exotischer Tiere nicht ganz unbedarft
sein, wandte sich der Kaufmann an mich.
Er überreichte mir das Schächtelchen
und ich hatte das Gefühl, er konnte sich gar nicht schnell genug verabschieden,
da er sogar auf einen Wunsch nach baldiger Besserung verzichtet hatte. Aber den
brauchte ich ja jetzt ohnehin nicht mehr.
Sicherer
als die Schachtel erschien mir ein Glasbehälter für das Tier. So leerte ich
süßsaure Essiggurken (sollten es einfach saure ohne Süße gewesen sein, hat das
an und für sich auf den Fortgang der Geschichte keinen Einfluss) in eine
Schüssel, reinigte das Glas so weit, dass ich es dem Besuch aus Südamerika
zumuten konnte – und fühlte mich nach der Übersiedlung des Gastes wesentlich
wohler.
Ich hatte schon einige Erfahrung mit
Taranteln, die ich bereits in meinen Jugendtagen gepflegt hatte und wusste von
Vogelspinnen, dass ihre Gefährlichkeit meist maßlos übertrieben wurde. Aber war
dieses Exemplar überhaupt ein Mitglied dieser Familie? Sein Haarkleid war mickrig
bis kaum vorhanden. Nun, wozu hatte man umfangreiche Literatur? Die ist es
nicht, die auch nicht, überhaupt keine aus dieser Gruppe, also weiter! Nächste
Gattung - Kammspinnen. Das kam schon eher hin, Größe, Farbe und andere Merkmale
deuteten auf eine besondere Art hin, ja bestimmten sie eindeutig: Phoneutria
fera, eine Jagdspinne, schweres Neurotoxin,
zwanzigmal giftiger als eine Kobra. Ich verzichtete auf die
Verifizierung dieser unglaublichen Behauptung.
Die Lektüre machte mir aber eines ganz
klar: Ich musste das Tier gesund pflegen, um es einem staunenden Publikum
präsentieren zu können und ich meine Rolle als unerschrockener Indiana Jones richtig
ausspielen konnte.
Ja,
so war es dann auch. Was da so alles passierte, wäre eine eigene Geschichte,
die ich aber nicht schreiben will.
Nur so viel sei gesagt. Nachdem der
Fund der Bananenspinne (ich nannte sie so, weil Phoneutria fera nicht unbedingt
leicht ins Ohr geht) zu einem Kurzbericht in einer Tageszeitung führte, trat die Gendarmerie auf
den Plan. Sicherheitsvorkehrungen wurden festgelegt und so kam es, dass die
Landbevölkerung aus der Umgebung, die an Sonntagen den Gottesdienst im Zentrum
besuchte, im Abschluss die Gelegenheit nützen konnte, um den weniger frommen
Schauer beim Betrachten dieser Rarität über sich ergehen zu lassen.
Du hältst also eine "Mörderin" in einem Glas gefangen und stellst sie zur Schau. Eine besondere Form des Prangers, durchaus angebracht für Armadeira. Très intéressant.
AntwortenLöschenNun, die "Mörderin" musste nicht im Glas ihr Dasein fristen, sie wurde in einem geräumigen Terrarium verhätschelt. :D
LöschenWas den Pranger betrifft, die Phoneutria erklärte sich mit solidarisch im Bestreben Grusel zu erwecken. :D LG Ingo