Abtenau ist ein bemerkenswert schöner Ort, das muss man schon sagen. Es
übertrifft an Lieblichkeit, Gemütlichkeit und Beschaulichkeit alle euphemischen
Beschreibungen in den Werbeprospekten. Dass der Ort auch in einem bemerkenswert
reizvollen Tal zu Füßen eines mächtigen (für unsere Erzählung
geheimnisträchtigen) Gebirges liegt, rundet das Bild harmonisch ab. Die Winter
in diesem Ort sind streng und schneereich (wenn sie das nicht sind, sind
Klagelieder die meistgesungenen Choräle). Die Sommer sind angenehm lau bis
warm, einzelne Tage stechen auch durch Hitze hervor.
Dino und Igua, zwei
Grüne Leguane aus meinem Schulterrarium, damals ungefähr eineinhalb Meter lang
(die Leguane, nicht die Terrarien), durften an sehr warmen Sommertagen ins
Freie, natürlich unter entsprechender Obhut. Das „Freie“ war meist eine
Buchenhecke, die den Gehsteig vom kleinen Vorgarten der Schule trennte. Sie
genossen sichtlich die Strahlen der Sonne, denn sie trachteten nicht zu flüchten,
sondern möglichst viel an Oberfläche ihrer Schuppenhaut der Wärmequelle
zuzuwenden. Ja, sie genossen den abtenauerlichen Sonnentag sichtlich. Da wurde
dann ihr Grün noch grüner und sie begannen beinahe zu leuchten. Wer schon einen
Laubfrosch oder einen Anolis (was, den kennen Sie nicht?) gesehen hat, weiß,
was ich meine. Schatten zur Abkühlung war jederzeit zu finden.
Es war gar nicht leicht,
die Grünlinge, die noch dazu tarnende Sreifen trugen, aus dem Blättergewirr
„heraus zu sehen“. Für mich aber boten sich bei solchen Gelegenheiten immer
herrliche Fotomotive. Aber nicht nur für mich.
Der Gehsteig war ein von
Urlaubern oft begangener Weg. Wieder einmal näherte sich ein Paar, begierig zu
sehen, was ich denn da zu knipsen hätte. Einfach nur Laub? Das erschien ihnen
fraglos zu dürftig als Motiv, darum traten sie näher. Jetzt entdeckten sie – offensichtlich
stark verunsichert bis entsetzt - die zwei Echsen, traten erschrocken einen
Schritt zurück und stellten dann die unvermeidliche Frage: „Was ist denn das?“
Ganz so klang es nicht, unverkennbar war das Holländische des Akzentes
herauszuhören.
Es war offensichtlich,
dass sie die Tiere nicht zuordnen konnten und das weckte in mir den unbändigen
Drang, für den ich bei anderen Anlässen schon oft zu büßen hatte, den äußerst
sympathisch wirkenden Gästen des Ortes einen dicken Bären aufzubinden. Ich
erklärte ausführlich, wie die seltenen Tennengebirgsechsen an warmen
Sommertagen ins Tal zur Eiablage herunter kämen, aber selbst von Einheimischen
kaum je entdeckt würden.
Klick, klick, machten
die Kameras, auch klack klack, nicht nur einmal, sicher war dem Film eine ganze
Serie an Bildern aufgeprägt. Nachdem ich noch mehrere Male über den Namen der
Tiere Auskunft gegeben hatte (Abtenauer Bergechse - Lacerta abtenauensis),
verabschiedeten sich die Leute, beglückt, das selten Ereignis im Bild
festgehalten zu haben. Ich bin mir sicher, dass die Bilddokumente von den
österreichischen Bergechsen nicht nur einmal der Verwandt- und Bekanntschaft
gezeigt wurden. In Westfriesland gilt Abtenau heute als exotische Enklave in
einem eher nicht-tropischen Land Salzburg.
Hihi, Touris - und noch dazu meine "besonderen Lieblinge" aus Holland - zu narren, war (ist!) auch eines meiner Steckenpferde. Das verdient einen Ehrenpreis, Ingo!
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