Mit
der Nennung des Ortsnamens will ich gleich einmal klarstellen, dass ich über
eine Ansiedlung der kleineren Art berichten werde, besser gesagt, was in diesem
- in keiner Weise mit New York oder Singapur vergleichbaren - Flecken Erde vor
mehr als sechzig Jahren passiert ist. Da die Erzählung durchaus Theatralisches
zum Inhalt hat, darf ich auch auf die Laienbühne Holzhausen verweisen, die
eigentlich Hochprofessionelles zu bieten hat. Aber eine nähere Erläuterung
würde hier zu weit führen.
Ich
mochte so ein siebenjähriger Bub gewesen sein, als ich bei einem meiner
täglichen Streifzüge in die Felder und Wälder rund um das Dorf auf den Blättern
einer sonst unscheinbaren Kartoffelstaude ein seltsames Tier entdeckte, das
sich jeder systematischen Zuordnung, zu der ich damals fähig war, entzog.
Beinahe erschreckte mich sein Aussehen, obwohl die pergamentene, nackte Haut an
Mustern und Farbenpracht kaum zu überbieten war. Das mir so befremdlich
erscheinende Wesen hatte etwas, was mich augenblicklich fesselte. Dieses Etwas
löste augenblicklich ein Blitzgewitter in meinen Synapsen aus. Ich merke aber aus-
und nachdrücklich an, dass ich das damals anders formuliert hätte.
Der
offensichtlich extrem elastische, in alle Dimensionen verformbare
Nachtschattengewächsnager (wiederum ein Beschreibungsmodus, der ausschließlich
in seiner Umständlichkeit Erwachsenen vorbehalten ist) hatte einen Schwanz.
Nicht einen zum Wedeln, nicht einen zum Fliegenverscheuchen, es war eigentlich
nur ein Körperfortsatz ohne erkennbare Funktion und ohne Quaste – aber
eindeutig ein Schwanz.
Ich
musste mich trotz aller Spiele meiner Fantasie mit dem Gedanken anfreunden,
dass es sich um eine Raupe handelte, ich tat dies ungern, weil es der Exotik des Tieres etwas an Exklusivität
nahm. Allerdings, und das wertete den Fund wieder auf, ging es hier eindeutig
um eine Riesenraupe. Zum Zeitpunkt dieser Erkenntnis war mein Plan schon fix
und fertig – in allen Facetten ausgereift sozusagen. Die Sache musste
ausgeschlachtet werden, finanziellen Ertrag bringen. Wie, wusste ich schon. Wer
exotische Tiere ausstellen will – in einer Menagerie etwa, muss zuerst einmal
einen entsprechenden Käfig zur Verfügung haben – an Freianlagen aus Gründen der
artgerechten Haltung dachte damals noch niemand. Vor allem aber hatte ich das
Tier erst einmal als Art zu benennen. Ich war mir vollkommen sicher, dass es
sich nur um eine „Afrikanische Schwanzraupe“ handeln konnte und das stand dann
auch kurz darauf in Großbuchstaben auf der Außenseite des Schuhkartons, der
zugleich Käfig, Schauraum und Auslauf war. Zugegeben, es stand „Afriknische
Schwansraube“ drauf, man beachte mein Alter damals und die zurückgelegte
schulische Bildung.
Innerhalb
weniger Stunden konnte man an Scheunen, Stalltüren und Hausmauern Plakate
bestaunen, die für einen Eintrittspreis von fünf Groschen ein
unvergleichliches Erlebnis, nämlich die
Besichtigung eines extrem seltenen Exemplars der afrikanischen Schwanzraupe
versprachen. Fünf Groschen waren zwar ein unverschämt hoher Eintrittspreis,
aber es handelt sich eben um eine Exklusivschau.
Und
die Leute kamen, nicht übermäßig viele, neben Vater und Mutter waren es vier Nachbarkinder,
der Bauer, auf dessen Feld die Kuriosität gefunden wurde und eine Tante. Sie
alle zahlten - in Summe 40 Groschen. Meine Schwestern warfen auch einen Blick
auf die - zugegeben ziemlich einseitige und klar umrissene Tierschau -zahlten
aber nicht.
Ich
war zufrieden, der Erlös erlaubte mir den Ankauf eines Linienspiegels (von dem
ich glaubte, er wäre ein technisches Gerät mit optischen Komponenten) und von
drei Stollwerk mit Zitronengeschmack.
Von diesem Kaliber ist der engagierte Naturforscher. Nicht nur das bloße Interesse, die Faszination, für die Schönheiten von Flora und Fauna, sondern dies auch noch gepaart mit einer handfesten, kaufmännischen Begabung, stellen sicher, dass der Jungforscher seinen Weg machen wird. Die Karriere als Forscher, Lehrender und - was heute zwingend gefordert ist - Beitreiber von Drittmitteln ist vorgezeichnet. Hier steht der künftige Ordinarius in einem sehr frühen Stadium vor uns.
AntwortenLöschenLeider ist von diesem kaufmännischen Talent nichts erhalten geblieben. :D
LöschenNun, man muss nicht unbedingt ein guter Kaufmann sein, wenn es einem gelingt, genug Drittmittel zu akquirieren.
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