Donnerstag, 18. Dezember 2014

Viele sind abergläubisch - ich bin es nicht





Aberglaube ist stärker als religiöse Überzeugung, es kann mich der Anschein aber trügen. Jedenfalls ist er weit verbreitet – und er ist ein Weltbürger. Rund um die Iglus ist er ebenso zu finden wie im Penthouse in Wien, im sudanesischen Dorf und in amerikanischen Großstädten. Bei uns - im aufgeklärten Europa - führt diese mentale Unterwerfung unter Glücks- und Unglücksboten und -künder zu höchst eigenartigen Verhaltensweisen, die einer gründlichen ethologischen Erforschung bedürften. Da gibt es tatsächlich Leute, die erhitztes Blei in kaltes Wasser schütten, um aus den verschiedenen Erstarrungsformen die Zukunft zu deuten. Erkennt man in dem entstandenen Klumpen zum Beispiel einen Sarg, so legt ein Funken Restverstand dies etwa als Goldbarren aus, der im folgenden Jahr Wohlstand ins Haus bringen wird – aber nein, viele erkennen darin den Herrn Maier vom Nachbarhaus, der es sich ewigruhlich bequem gemacht hat. Manche Bauern gehen so weit, dass sie ihre Zuchtschweine mit Hufeisen bewerfen. Hin und wieder wird dabei ein Rauchfangkehrer getroffen, den der Glückswerfer wohl mit einer schwarzen Wollsau verwechselt hat. Was bleibt über, als dann zum Trost und zur Heilung vierblättrigen Klee aufzulegen – dem Rauchfangkehrer, nicht dem Schwein. Schwarze Katzen, die von links nach rechts über die Straße laufen – manchmal auch von rechts nach links (besonders unheilschwanger) werden eingefangen und im besten und glücklichsten Fall für die Katze umgefärbt, etwa mit weißen Streifen zu einem Kleinstzebra verwandelt.
Nun, wie auch immer. Ich lasse mich von derart archetypischen Vorstellungen nicht beeinflussen, bin Voltaire, Hume und Kant verpflichtet und kann mich des Spottes über derartige geistige Rückständigkeit nicht erwehren.
Gut, ich reiße verärgert Geschirrtücher und andere Textilien von Aufhängevorrichtungen aller Art, denn, wie jeder weiß, darf über Silvester keine Wäsche zum Trocknen aufgehängt, ausgelegt (schon gar nicht auf dem Dachboden, im Keller, im Bügelraum, in der Küche und im Schlafzimmer) sein. Leitern liegen bei mir vorsorglich auch in der Garage auf dem Boden. Ein versehentliches  Durchgehen unter einem solchen Gerät wird dadurch verunmöglicht. Verunmöglicht ist übrigens ein Wort, dass auch nur Abergläubische als dem deutschen Sprachschatz entnommen empfinden. Die schwarze Katze des Nachbarn habe ich vorsichtshalber eingefangen und im Tierheim abgegeben. Dort soll sie ihr Unheil anrichten, dieses Untier. Ist mir egal. Knollenblätterpilze meide ich, Glücksbringer soll man nicht aufessen.
Wie gesagt, besonders zum Jahreswechsel hin, macht sich ein Mensch, der sich der Vernunft verschrieben hat, so seine Gedanken über Mitmenschen, die der Epoche der Aufklärung  durch die Maschen gefallen sind.

 

1 Kommentar:

  1. Na, dann dreimal über die Schulter gespuckt (toi-toi-toi!) und auf Holz geklopft (auch wenn sich der Schädel weder hölzern anfühlt noch so klingt), damit Du auch weiterhin so unaufgeregt-aufgeklärt frei bleiben magst von allem Aberglauben.

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