Das Burgenland ist flach, sehr flach, das
Burgenland liegt im Osten Österreichs und das Burgenland ist interessant.
Für mich besonders wegen der Fauna, die in
diesem Bundesland eine gewisse Extravaganz aufweist, mit Arten, die sonst in
östlichen Steppen oder im wärmeren Süden verbreitet sind. Zu nennen wären da
einmal Smaragdeisechse und Gottesanbeterin, Hamster und Skolopender, Hirschkäfer und ein Tier, das man sonst eher
mit Taranto in Apulien verbindet. Ja, man darf verbinden, sehr eng sogar, es
geht nämlich um die zu ekstatischen Tänzen anstachelnde Tarantel. Ja, die gibt
es im Burgenland. Ein herrliches Tier, lebt in Erdlöchern, zeigt sich selten
nur und kümmert sich vor allem nicht um die Burgenländer.
Ich mochte so sechszehn sein, da
erkundete eine Gruppe junger Leute unter der Leitung von Dr. Eberhard Stüber –
es muss im Juli 1960 gewesen sein - die Gestade des Neusiedler-Sees, dessen Vogelwelt
und eben die oben angeführten Vertreter seltener Arten.
Taranteln leben in Erdlöchern. Wie wir
sie aus diesen hervor lockten, verschweige ich verschämt, es könnte zarte
Seelen beleidigen. Kurz und gut, ich konnte eine erwischen, sie in ein Schächtelchen
schließen und mit nach Hause nehmen. Mit nach Hause meine ich nicht das
Zeltlager in Neusiedl, sondern das Schulgebäude in Holzhausen. Bekümmert denke
ich zurück, dass mir damals das Verbot der Verbringung dieser geschützten Tiere
zwar bekannt, aber völlig gleichgültig war.
Die Tarantel übersiedelte also nach Holzhausen
und wurde von mir in ihrem Terrarium bestens versorgt. Sie musste vorher bereits
einen Tarantelmann getroffen haben, wie die Juniorzwerge auf ihrem Rücken
bewiesen – und lebte einigermaßen glücklich und zufrieden, bis ich nach den
Sommerferien wieder nach Salzburg ins Internat übersiedeln musste. Von da an
lebte sie noch zufriedener. Sie wurde nämlich von meiner Mutter versorgt.
Nicht, dass Spinnen die erklärten
Lieblinge meiner Mutter gewesen wären, aber als Tierfreundin fühlte sie sich
moralisch verpflichtet, die Haugenossin mit allen essenziellen Nähr- und
Zusatzstoffen zu versorgen. Diese fand sie in Schmetterlingen, denen sie mit
einem Netzt nachstellen musste. Sie tat es nicht gern, liebte sie doch die
bunten Flatterer mindestens ebenso, wie das die Spinne tat. Wenn nicht mehr. Ich
nehme an, mit zwei Stunden Nahrungsbeschaffung pro Tag war meine Mutter
wenigstens in dieser Hinsicht kaum belastet. Für die langen Wochen des
Spätsommers und Frühherbstes gab es – und das ist durchaus auch positiv zu
sehen – keinen Mangel an sinnvollem Zeitvertreib. Außer der Pflege ihres riesigen
Gartens, der Kocherei, dem Waschen und Bügeln, dem Einkaufen und einigen
Stunden Kochunterricht in der landwirtschaftlichen Fortbildung hatte meine
Mutter ja kaum etwas zu tun.
Warum ich es wert finde, die Begebenheit
überhaupt zu schildern? Nun, weil ich die Angelegenheit als gutes Beispiel
sehe, wozu sich Mütter in einem Aufflammen irrationaler Mutterliebe aufraffen
können. Ein Mirakel.
Was mit der Tarantel, nennen wir sie
Elfriede Elisabeth, weiter geschah, wäre eine eigene, ebenfalls sehr sonderbare
Geschichte.
Endlich wagt es mal jemand, die chronische Unterforderung der so genannten "Hausfrauen und Mütter" offen anzusprechen. Wieviele von ihnen sind still frustriert und enerviert, weil sie ganz einfach unausgelastet, unterfordert, gelangweilt sind. Da ist es Dir hoch anzurechnen, dass Du bereits im frühen Jugendalter bei Deiner Mutter etwas gegen diesen entwürdigenden Zustand unternommen hast. Chapeau!
AntwortenLöschen