“Du Opa, schreibst mir was auf?”,
fragt der kleine Lukas seinen Großvater. Lukas ist ein vifes Bürschchen mit
seinen ganzen sechs Jahren, ein Kind seiner Zeit, aber trotzdem vor allem ein
Kind. Kinder haben Wünsche, oft die erstaunlichsten, besonders vor Weihnachten.
Zehn Tage sind es noch bis zum Christfest. Die Geschenke liegen bereit, artig
verpackt warten sie in Schränken und Schubladen auf die Freuden- und
Entzückensrufe, die ihnen beim Auspacken entgegenschallen werden. Ob Geschenke
tatsächlich darauf warten, muss erst gründlicher erforscht werdeen, bis dahin
darf man das Entzücken einfach einmal nur annehmen.
Für den Erstklassler Lukas wartet
heuer eine Unmenge an Gaben, wobei das Wort Unmenge betont werden kann. Lauter
sinnvolle Sachen, wie der Vater meint. Und praktische noch dazu, wie die Mutter
betont: Ein Computerspiel, bei dem man Flugzeuge abschießen muss um zu punkten
- mit noch einigen weiteren Programmen, wie etwa sehr realistischen
Menschenvernichtungsaktionen mit Laserpistolen, die für einen Sechsjährigen im
21. Jahrhundert unerlässlich sind.
Lukas kann noch nicht viel lesen und
schreiben. Wie soll er auch drei Monate nach seinem Schulstart? Die Lehrerin
ist etwas langsam, kritisiert er immer wieder. Aber auf dem Computer - er hat
natürlich einen für sich allein – ja, auf diesem Gerät ist er Meister. Da
versteht er sogar die Anweisungen auf Englisch und auch der Umgang mit dem
Internet ist ihm nicht fremd. Diese Fähigkeiten ihres Sohnes sehen die Eltern
gar nicht ungern und wollen sie fördern, wo und wie es nur geht.
Der angehende Informatiker bittet
den Opa also etwa aufzuschreiben - und zwar in einer ungewohnt schüchternen,
wenig zeitgemäßen Art, man möchte fast braven Art sagen. Da musste es um etwas
ganz besonders Wichtiges oder Dringliches gehen. “Was soll ich denn schreiben, Bub?”, fragt
er. Er nennt den Buben immer Bub. Nun ja, er kann ihn ja nicht gut Mädchen
nennen. Der Knirps druckst herum. Man sieht ihm auch äußerlich an, wie er sich
innerlich windet. Schließlich rafft er sich auf: “Ich möchte dem Christkind
schreiben. Ich hätt’ da einen Wunsch, eh nur einen”.
Ob das schon sein Enkel
ist, der da vor ihm steht, überlegt der Großvater. Sein Enkelkind, das im
zarten Alter von fünf Jahren schon festgestellt hat, das Christkind gibt’s nicht,
die Geschenke kaufen Papa und Mama. Ja, Papa und Mama haben es für notwendig
gehalten, ihren Sohn möglichst frühzeitig über die bittere Realität dieser Welt
aufzuklären. So haben sie dem Knaben alles Wissenswerte über Buben und Mädchen,
Männer und Frauen und so weiter halt, eingeredet, den Osterhasen, den Nikolaus
und eben das Christkind aber ausgeredet. Offensichtlich zweifelt Lukas im
letzten Punkt an seiner ursprünglichen Überzeugung.
Dem erstaunten Opa ist nicht ganz
wohl in seiner Haut. Wahrscheinlich wird er komplizierte Dinge aufschreiben
müssen - etwa Eifon. Trotzdem setzt er sich hin: Also schreiben wir einmal:
‚Liebes Christkind, ich wünsche mir … ‘. Er blickt zu seinem Enkel auf und der
diktiert nach einiger Überwindung: ,…
Holzstöckerl, sonst nichts als Holzstöckerl, gelbe, rote und blaue und sie
sollen zweimal so groß sein wie die Baustöckerl, die’s zum Kaufen gibt’.
Ungläubiges Staunen und
Erleichterung sind dem alten Herrn über das ganze Gesicht anzusehen. Staunen
über den Wunsch und Erleichterung, weil er das eben Gehörte natürlich mühelos
schreiben kann. Er fügt also - Holzstöckerl, sonst nichts als Holzstöckerl,
gelbe, rote und blaue und sie sollen zweimal so groß sein wie die Baustöckerl,
die’s zum Kaufen gibt - an den angefangenen Satz, setzt noch - Dein Lukas -
darunter und legt den Brief, wie es sich gehört, aufs Fensterbrett. Und wie es
sich ebenfalls gehört, ist dieser auf mysteriöse Weise verschwunden, als Kevin
nach einiger Zeit nachschauen kommt.
Nun ist es am Großvater, die Dinge
in die Hand zu nehmen. Er muss mit den Eltern sprechen. Sein Sohn und seine
Schwiegertochter sind entsetzt. Nicht nur, weil sie alle Geschenke schon
besorgt haben, sondern weil ihnen der ausgefallene Wunsch des Kindes lächerlich
erscheint, eine momentane Marotte wahrscheinlich, der man auf keinen Fall
nachgeben sollte. “Nein, das kommt sicher nicht in Frage. Holzklötze für einen
Sechsjährigen, ha, du hast vielleicht Ideen”, trachten sie den Vater und
Schwiegervater zu verunsichern. Der Großvater aber schweigt dazu.
An den folgenden Tagen ist er kaum
anzutreffen. Nicht bei den Fernsehprogrammen, die er gewöhnlich nie ungeschaut
lässt, nicht bei der Jause, nicht einmal beim Frühstück, das sonst immer
gemeinsam eingenommen wird. “Opa ist verschnupft, weil ich ihm die Sache mit
den Bausteinen ausgeredet habe. Stell dir vor, wie enttäuscht der Bub mit
diesem Kleinkinderkram als Geschenk wäre. Nicht mehr auszuhalten”, ist der
Vater ganz einer Meinung mit seiner Frau.
Schnell sind die verbleibenden zehn
adventlichen Tage um, für die Eltern noch hektisch, für den Großvater wissen
wir es nicht, für Lukas eine Zeit der Vorfreude aber auch des ungewissen
Bangens. Dann erstrahlt der Lichterbaum und es erstrahlt der Bub. Mit einem
Jubelschrei stürzt er sich auf die Kiste mit den Quadern und Würfeln. Die
vielen anderen Päckchen mit dem ganzen Computerzeug bleiben unbeachtet. Es ist
ein Weihnachtsfest, wie man es sich wünscht. Freude und Zufriedenheit.
Zumindest bei Lukas und dem Großvater, auf dessen Fingern noch immer einige
Lackspuren zu sehen sind, die in den Farben zufällig mit dem Anstrich der
Baustöckerl übereinstimmen.
Gut, dass der Opa so einen guten Draht zum Christkindl hat. Und der Enkel auf diese Weise mal tatsächlich das bekommen hat, was er sich wünschte, und was dementsprechend "gut" für ihn war.
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