Sonntag, 19. Januar 2014

Aufklärung




Der Storch ist deshalb so bekannt, weil er zwar fliegt aber nicht geht. Er schreitet. Er schreitet auch ein. Immer dann, wenn sich auf einem Flecken dieser Erde (einige Gegenden sind aus unerfindlichen Gründen ausgenommen) ein sogenannter Kinderwunsch regt, der genau betrachtet ja ein Elternwunsch ist. Ja, dann schreitet Adebar ein.  Er bringt ein Körbchen ins Haus, dem man dann ein niedliches, neues Familienmitglied entnehmen kann. Offensichtlich ohne den Vogel dafür entlohnen zu müssen. Von Zuwendungen irgendwelcher Art ist nichts bekannt, was auf eine gewisse Schäbigkeit junger Eltern schließen lässt. Wohlwollend könnte man das auch einer gewissen Zerstreutheit des Ereignisses wegen zuschreiben.
Zu erwähnen in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass Kinder eine grundsätzlich verschiedene, im Ansatz schrecklich verdorbene Meinung von der Art und Weise, wie sich Nachwuchs einstellt, haben. Für sie erfolgt Familienvergrößerung über lustvolle Zeugung, Schwangerschaft und schmerzliche Geburt, ein Märchen, das man in aufgeklärten Zeiten aus den Köpfen der Heranwachsenden zum Schutze ihrer seelischen Gesundheit eliminieren sollte. Aufklärung hat noch keinem Kind geschadet.
Hier möchte ich, etwas abweichend, die geradezu paradoxe Sichtweise der Frösche anführen. Froschkinder glauben umfassend an die Zustellung durch Störche, während adulte Exemplare, also Froscheltern, genau vom Gegenteil überzeugt sind. Für sie bringt Adebar nicht, er holt.
Storchkinder glauben sowohl an Zeugung als auch Lieferung durch die eigenen Artverwandten. Wundert es da, dass diese Vögel in eine innere Zerrissenheit verfallen, ein unstetes Verhalten zur Schau stellen, das sich am deutlichsten durch den alljährlichen Flug nach Afrika zeigt, wo es ihnen dann aber auch wieder nicht passt und sie – hier zeigt sich eine handfeste Paranoia – wieder zurück fliegen.
Aus all diesen Anmerkungen ist zu ersehen, dass Aufklärung das Um und Auf moderner Erziehung sein sollte. Dazu eignet sich die anschauliche Geschichte mit dem Storch bestens.

1 Kommentar:

  1. Bei uns hat man - aus Dankbarkeit? - dem Klapperstorch Würfelzucker aufs Fensterbrett gelegt. Ja, ich stimme Dir zu. Aufklärung allein kann dem Nachwuchs jeglicher Art den Aberglauben austreiben.

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