Dienstag, 14. Januar 2014

Kurtl und Maridl




Kurtl und Maridl waren, wie ihr Vater vermutete, eineiige Zwillinge. Damit ist der Mann hinreichend beschrieben. Ihre Stiefmutter glaubte das nicht, es war ihr aber auch egal, denn die Kinder hatten für sie nur den Stellenwert einer außergewöhnlichen Belastung (von der Steuer absetzbar). Wie auch immer, Kurtl und Maridl wuchsen in einem Umfeld auf, das entwicklungspsychologisch nicht das günstigste war. Die drückende Armut, der Vater fuhr seinen BMW schon das vierte Jahr, ließ die Stiefmutter jegliche menschliche Regung vergessen. Die findige Frau verfiel auf eine diabolische - an Hintertücke nicht zu übertreffende - Idee. Sie versah ein GPS-Gerät mit einer Batterie, die gerade noch die Spur eines Elektronenflusses hervorbringen konnte, überreichte es den Kindern und schickte diese zur Erdbeerensuche in den Wald. Es war Oktober. Die Kinder hatten sehr viel von ihrem Vater, Verdacht schöpften sie nämlich keinen. Der Rest ist, Grimm sei Dank, bekannt. Abweichend jedoch ist das bittere Los von Frau Niedermaier, einer etwas älteren Dame, die wegen extremer Fehlsichtigkeit Maridl und nicht Kurtl in einen Käfig sperrte – und für die Einschlafgeschichten späterer Generationen wieder durch eine Hexe ersetzt wurde.


1 Kommentar:

  1. Danke für Deine Nachforschungen. Vielleicht gräbst Du ja bei Grimms noch mehr solcher entsetzlichen Verfälschungen aus.

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